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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 03.03.2007


Goodbye Bafana
Tatjana Zilg

Anhand der Beziehung zwischen Nelson Mandela und seinem Gefängniswärter zeigt Bille August die psychologische Innenseite der Veränderungsprozesse im Südafrika der Apartheids-Zeit. Mit Diane Kruger




Die Überwindung eines der menschenverachtendsten Systeme der jüngeren Zeitgeschichte nimmt der amerikanische Regisseur Bille August in seinem 2007-Berlinale-Wettbewerbsbeitrag unter die Lupe. Fast bis zum Ende des letzten Jahrtausend wurde in Südafrika die Apartheid aufrechterhalten. Mit dem ausdauernden Widerstandskampf, der nach unerträglich langer Zeit durch die Unterstützung weltweiter Boykott-Aktionen 1994 endlich den ersehnten Erfolg zeigte, wird vor allem der charismatische und politisch hochbegabte Nelson Mandela assoziiert.

1944 trat der studierte Jurist dem ANC (African National Congress) bei. Vier Jahre später gelangte die Nationale Partei an die Macht und die Rassentrennungs-Politik wurde weiter verschärft. Aufgrund des aggressiven Vorgehen von Polizei und Militär während der Gegen-Demonstrationen löste sich Nelson Mandela von der gewaltfreien Haltung des ANC und etablierte mit dem Umkhonto We Sizwe eine gewaltbereite Widerstandsorganisation. Bereits 1962 wurde er zu fünf Jahren Arbeitslager verurteilt. 1963 wurde Anklage wegen Sabotage, Verrat und Verschwörung gegen ihn und andere politische Führer erhoben. Schon ein Jahr später wurde er zu lebenslanger Haft verurteilt und auf der berüchtigten Gefängnisinsel Robben Island interniert.

Hier beginnt die Storyline von "Goodbye Bafana", und zwar in dem Moment, wo ein neuer Wärter auf die Insel geholt wird, der aufgrund seiner Xhosa-Sprachkenntnisse die letzten Geheimnisse von Nelson Mandela (Dennis Haysbert) entschlüsseln soll. Briefe, Besuche, Kontakte mit den anderen Gefangenen – überall könnte die Gefahr bestehen, dass der ANC und der Umkhonto We Sizwe neue Aktionen koordinieren. Mit Zensur wäre die totale Überwachung der Robben Island – Insassen noch milde umschrieben. "Ein Fenster zu deren Seele" soll der junge Wärter James Gregory (Joseph Fiennes) werden, der mit seiner Ehefrau Gloria (Diane Kruger) und seinen beiden Kindern in ein geräumiges Haus in der Angestelltensiedlung der Insel zieht. Für die kleine Familie bedeutet seine neue Arbeit eine Chance zum gesellschaftlichen Aufstieg. Alles, was zunächst zählt, ist die Hoffnung auf eine baldige Beförderung und eine bessere Zukunft für die eigenen Kinder.

Aber James Gregory hat eine vermeintlich schwache Stelle, die ihn von den anderen Wärtern unterscheidet: Seine hervorragenden Xhosa-Kenntnisse beruhen auf einer intensiven Kinderfreundschaft mit einem schwarzen Jungen aus dem Dorf, das nahe der Farm seiner Eltern lag. In ruhigen Momenten hat er Bilder vor Augen, wie er dort auf den Hügeln mit seinem Freund (in Xhosa "Bafana") Stockkampf spielt.

Er kann es nicht verhindern, dass er Nelson Mandela entgegen der Vorschriften als Menschen wahrnimmt. Als der gerade volljährige Sohn Mandelas bei einem Autounfall ums Leben kommt, beginnt der Wärter die Glaubwürdigkeit der Regierung und de Netzwerke des Apartheid-Staates in Frage zu stellen. Der Verdacht liegt nahe, dass der angebliche Unfall ein Anschlag war. Seine Zweifel behält er jedoch für sich, nur mit seiner Frau versucht er zu reden, die ihn aber aus Angst vor den Verlust ihrer materiellen Sicherheit abweist.

James Gregory beginnt die Freiheitscharta zu lesen, die für die Öffentlichkeit - Weiße wie Schwarze - verboten wurde. Mehr und mehr nutzt er seine Sprachkenntnisse, um mit Nelson Mandela in einen Dialog über die Ziele des ANC und die Zukunft Südafrikas zu treten. Das kann er nicht lange verbergen. Er erhält eine strikte Ermahnung. Die Aussicht auf Beförderung ist damit zerstört.
Ein wesentlicher Unterschied im Denken des politischen Aktivisten Mandela und dem nach wie vor letztlich gehorsamen Befehlsempfänger James Gregory wird nun deutlich: Der Wärter denkt an allererster Stelle an das Wohl seiner kleinen Familie. Er nimmt ein Angebot an, vom Festland aus die Post der Häftlinge zu zensieren. Viele Jahre lang wird er keinen direkten Kontakt zu Nelson Mandela mehr haben. Aber die Zweifel am Apartheid-System werden größer und größer.

Das überraschende Angebot, nach einer Verlegung von Nelson Mandela zu dessen persönlichen Wärter zu werden, nimmt er fast erleichtert an. Seine Frau Gloria fühlt sich jedoch durch die erneute Veränderung bedroht, aber versteht auch allmählich, dass das System nach ganz anderen Wirkungsmechanismen funktioniert, als es ihr von klein auf vermittelt wurde.

"Es war wichtig, diesen Film zu machen. Nicht nur weil es ein wichtiger Teil der jüngeren Geschichte ist. Für mich als Deutsche hallt in der Geschichte ein befremdlicher Widerklang der Historie meines eigenen Landes wieder. Auch dort haben Menschen, gefangen in ihrer eigenen Realität, nicht gesehen, was direkt vor ihren Augen geschah. Gloria war eine Frau, die ihre Lebensumstände einfach akzeptierte und an das glaubte, was man ihr sagte – ohne irgendetwas in Frage zu stellen oder einmal über den eigenen Tellerrand zu gucken, um sich ein besseres Bild zu machen. So eine Lebenseinstellung ist furchterregend, aber es gibt sie und zwar in vielen Ländern, auch heute noch" sagt Diane Kruger zu ihrer Rolle als Gloria Gregory.

AVIVA-Tipp: Leider schwächelt der Film mit dem politisch nach wie vor brisanten Thema in der Umsetzung. Trotz der Länge von fast 2 Stunden kommen die Dialoge zwischen Nelson Mandela und James Gregory zu kurz. Die innere Wandlung geht erstaunlich schnell voran und wird ebenso schnell durch die Versetzung wieder unterbrochen. Seine Zensurtätigkeit auf dem Festland, der er nun – chronologisch gesehen – sehr lange nachgeht, wird fast gar nicht dargestellt, ebenso wenig wie die Beziehung, die sein Sohn offensichtlich zu Nelson Mandela entwickelt, als er als Hilfswärter bei seinem Vater jobbt. Wir erfahren später kurz, dass Mandela ihm sehr bei seinen Studienaufgaben geholfen hat – filmisch ist das aber gar nicht zu sehen.
Dennoch enthält der Film einige sehr bewegende Szenen: Wenn Nelson Mandela nach 27 Jahren Haft aufrecht und ungebrochen das Gefängnis verlässt, um kurze Zeit später der Präsident Südafrikas zu werden, oder wenn er nach Jahrzehnten zum ersten Mal mit seiner Frau und Töchtern beim Besuch Körperkontakt haben darf – zuvor sah er sie immer nur durch Glasscheiben getrennt.

Goodbye Bafana
Deutschland / Frankreich / Belgien / Großbritannien / Italien 2006, 117 Minuten
Regie: Bille August
DarstellerInnen: Joseph Fiennes, Diane Kruger, Dennis Haysbert, Mehboob Bawa, Adrian Galley
Verleih: X Verleih
Kinostart: 12.04.2007

Der Film im Web: www.goodbyebafana-derfilm.de/



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Beitrag vom 03.03.2007

AVIVA-Redaktion